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Gast aus Indien in Konstanz |
Begegnung in Konstanz mit dem indischen Gelehrten Probal Dasgupta
Samstag, 27.09.2014, 18:00 Uhr. Eine kleine Gruppe von Esperanto-Freunden aus Konstanz, Romanshorn, Freiburg, Villingen und Gärtringen ist gekommen, um dem ehemaligen Präsidenten des Esperanto-Weltbundes zu begegnen, der sich aus beruflichen Gründen gerade in Konstanz aufhält. Der Linguist und Philosoph aus Indien ist eine gewinnende Persönlichkeit. Ein Gelehrter ohne Gelehrtenallüre. Bescheiden, ja selbstironisch, fröhlich und freundlich, seinen Gesprächspartnern zugewandt. Er hört zu und erzählt. Gleich bei der Begegnung, noch vor dem Gasthaus Wessenberg in Konstanz, unserem Treffpunkt, bilden wir einen Gesprächskreis mit dem Gast.
Probal Dasgupta ist auf Einladung von Professor Josef Bayer, dem Vorsitzenden der linguistischen Abteilung der Uni Konstanz in der Stadt am See. Das Forscherteam arbeitet an einem Projekt „Vergleich der Satzstrukturen in Bengalisch und Deutsch“. Professor Bayer ist mit einer Bengalin verheiratet.
Probal Dasgupta hat sein jüngstes Buch „Wohnen in menschlichen Sprachen“ selbst in zwei Sprachen verfasst, auf Englisch mit dem Titel „Inhabiting human languages“, und auf Esperanto mit dem Titel „Loĝi en homaj lingvoj“. Von seinen Fachkollegen wird der vielsprachige Inder als „praktizierender Interlinguist“ bezeichnet, weil es diesem Sprachphilosophen um die Beziehungen zwischen den Sprachen geht. „Kommunikation zwischen den Kommunikationen“ nennt er das Ziel seiner Bestrebungen. Die Übersetzungswissenschaft spielt dabei eine wichtige Rolle in seinem Forschen und Denken.
Der Inder vertritt eine Sicht auf die gemeinsame menschliche Zivilisation, in der die Gleichwertigkeit der Kulturen betont wird. Geistiger Besitz ist Besitz aller. Die Vorstellung von „Metropolen“ und „Provinzen“ ist von gestern. „Regionen“, die als gute Nachbarn zusammenleben und einander befruchten, sind seine Vision. Nicht nur die Sprachen der einstigen Kolonialmächte sollen Forschungsgegenstand der Linguistik sein, wie es leider heute der Fall ist. Sondern selbst die noch nicht verschriftlichten Sprachen tragen in Dasguptas Denken dazu bei, zu verstehen, wie der menschliche Geist mit Hilfe der Sprache denkt.
Bengalisch, die Muttersprache Dasguptas, hat eine uralte Kulturtradition, die bis in die Antike zurückreicht. Beim Sprachenvergleich kommen dem Forscher die Erfahrungen in seiner Heimat zugute. Denn allein in Indien gibt es über hundert Sprachen (22 davon sind Amtssprachen), die fünf völlig verschiedenen Sprachfamilien angehören. Die Forschung auf wenige Sprachen zu verengen, nur weil sie „mächtig“ sind, oder gar nur auf eine von ihnen, hält Dasgupta für eine große Gefahr für die Geisteswissenschaften. Die Vielfalt der Kulturen ernst zu nehmen, ist Voraussetzung, um die Tiefe des menschlichen Denkens im Sinne der Erkenntnistheorie ausloten zu können.
Dasgupta war Präsident des Esperanto-Weltbundes von 2007 bis 2013. „Ich bin kein guter Vorsitzender“, bekennt er lächelnd, „sie haben einen gesucht, der schön reden kann“. Und er fügt hinzu „Ich habe darauf geachtet, dass ich die gute Teamarbeit nicht behindere“. Eine sympathische Selbstironie, die man bei Menschen so hoher Bildung wohl selten antrifft.
Aber an diesem Abend geht es gar nicht um hohe Fachwissenschaft. Alle von uns kommen zu Wort. Ganz in dem Sinn, wie sich Dasgupta in seinen Veröffentlichungen die „gute Nachbarschaft“ der Kulturen auf der Erde vorstellt: Jeder in der Runde hat an diesem Abend Gelegenheit, von sich zu erzählen. Jede von uns hat ja ihre besondere Biografie und auch ihren eigenen Weg, wie sie zu Esperanto gekommen ist. Der Respekt vor der Verschiedenheit verbindet uns.
Alois Eder
Zuletzt geändert am am 30-09-2014, 21:43