BAVELO-Seminar 2014 in Lindenberg

Esperanto und der Blick in die Ferne

Deutsch-französisches Esperanto-Seminar in Maria Lindenberg, St. Peter i. Schwarzwald

Geschichten aus dem Krieg in der Sprache des Friedens zu erzählen, hatten sich die Organisatoren aus Deutschland und Frankreich für ihr gemeinsames Esperanto-Herbstseminar vorgenommen. Zum zweiten Mal in diesem Jahr war ihr Treffen zum Praktizieren der Esperanto-Sprache dem Gedenken an die "Urkatastophe des 20.Jahrhunderts" gewidmet.

Der Ort hätte nicht besser gewählt sein können: der Bergsporn Maria Lindenberg in St. Peter im Schwarzwald, ein Pilgerziel schon seit vorchristlicher Zeit, bot mit dem weiten Blick über Berge und Täler genau die Ruhe, um sich auf dieses gewaltige Thema einzulassen, und das strahlende Herbstwetter des Oktoberwochenendes tat das Seine dazu.

Die gute Sicht reichte bis zum Hartmannsweilerkopf, dem Menschenfresserberg, wo bereits das gemeinsame Frühjahrsseminar stattgefunden hatte. Vor hundert Jahren fraß dort ein grausames Abschlachten massenweise junges Menschenleben. Anschaulich schilderte der französische Deutschlehrer Edmond Ludwig aus dem elsässischen Münstertal die damaligen Schrecken. Er war mit den Erzählungen aufgewachsen, die in seinem Dorf über den Ersten Weltkrieg heute noch lebendig sind. Mitten durch sein Heimatdorf ging die Frontlinie. Das Morden zerriss buchstäblich den einst beschaulichen Ort und seine Menschen in grausamer Weise mitten entzwei.

Der Autor Ed Borsboom aus den Niederlanden hat im Archiv des Esperanto-Instituts in Den Haag Zeitdokumente studiert und die Biographie des herausragenden Esperanto-Lehrers Andreo Cseh geschrieben. Dieser hatte, modern für damals, gemeinsame Sprachkurse in direkter Methode für Menschen unterschiedlicher Muttersprachen gehalten. Während des Ersten Weltkriegs aber mussten alle Esperanto-Kurse Zwangspause einlegen, die ganze schriftstellerische Tätigkeit der aufblühenden Sprachgemeinschaft kam in den Kriegsjahren zum Erliegen, schon geplante Treffen und Kongresse mussten abgesagt werden.

Doch der Erfindungsgeist der Esperanto-Bewegung war nicht zu bremsen. Es waren Esperantosprecher der neutralen Schweiz, die einen Briefvermittlungsdienst zwischen Soldaten und ihren Angehörigen aus beiden verfeindeten Kriegslagern aufbauten. Diese praktische Hilfe in der Kriegs-Not stellte die Lebenskraft der jungen "Internationalen Sprache" und ihrer Sprechergemeinschaft unter Beweis.

Pfarrer Bernhard Eichkorn aus Villingen stellte mit Max Josef Metzger einen Friedensmahner aus der Zeit der beiden Weltkriege vor. Aus dem engagierten jungen Priester, der sich freiwillig zur Betreuung der Frontsoldaten gemeldet hatte, wurde schnell ein glühender Pazifist. Er lernte Esperanto und erkannte das Potenzial, das darin für die Verständigung über Sprachgrenzen hinweg steckt. So setzte er Esperanto für die internationale Friedensarbeit ein. Darüber hinaus strebte er die Versöhnung zwischen den christlichen Konfessionen an und wurde zu einem der Wegbereiter für die Erneuerungsschritte der katholischen Kirche im Zweiten Vatikanischen Konzil.

Gerade sein Geist der Versöhnung aber war den herrschenden Nationalsozialisten ein Dorn im Auge und machte Metzger zum Hassgegner. Die Formulierung eines Manifests für ein friedliches Deutschland nach dem Ende von Hitlers Krieg, das er aus Deutschland herausschmuggeln lassen wollte, kostete den mutigen Mann buchstäblich den Kopf. Der Märtyrer für den Frieden soll demnächst von der katholischen Kirche selig gesprochen werden. Er ist ein Vorbild dafür, ganz auf friedliche Konfliktlösungen zu setzen, auch dann, wenn die Mehrheit anders denkt und Gewaltlösungen hoch im Kurs sind.

Zum Seminar eingeladen waren nicht nur Menschen, die bereits fließend Esperanto sprechen, sondern auch solche, die es lernen wollen. Zehn der 50 Teilnehmer waren Anfänger ohne oder mit Vorkenntnissen. Diese lernten in kleinen Gruppen und hatten zudem Gelegenheit, zum Beispiel bei Tisch und bei den Ausflügen, in Esperanto als Umgangssprache der Tagung einzutauchen und dabei ihre Anfängerkenntnisse auszuprobieren. Der ebenfalls geplante Kurs für Kinder und ihre Eltern musste leider wegen Erkrankung des Kursleiters ausfallen. Dafür konnte das Freizeitprogramm kurzfristig um die Besichtigung einer Windkraftanlage erweitert werden.

Abgerundet wurde das Programm durch Musik. Am Samstagabend durch ein Konzert des Landeszitherorchesters, das sein zeitgleich stattfindendes Probenwochenende mit einem öffentlichen Zitherkonzert von Barock bis Moderne krönte. Ein Esperanto-Liederabend, gestaltet von Christoph Frank aus Rottweil, bot traditionelle internationale Volkslieder, als Konzert und zum Mitsingen. Unter ihnen waren jiddische Lieder, die, versteckt in Bildersprache, von der Todesangst unserer jüdischen Mitbürger im Holokaust erzählen. Es gilt, die Erinnerung wachzuhalten, um einer friedlichen Zukunft willen.

Alois Eder


Fotos von André Grossmann, Cornelia Majer, Frank Huber, Inge Simon, Ursula Niesert
 

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